Drei Tage Mannheim mit Dana Bartsch

28. April 2004 | Von | Kategorie: Regional-Krimi

Mannheimer SeufzerEs bedarf etwas mehr als einen Seufzer, um die Reise der frisch pensionierten Kriminalkommisarin Dana Bartsch aus Hannover nach Mannheim zu erfassen. Der ‘Mannheimer Seufzer’, so der Titel des Hörbuchs von Claudia Cornelsen und Ingo Abel – kommt als Doppel-CD mit einer Gesamtspielzeit von 123 Minuten und 9 Sekunden daher.

Die Protagonistin Dana Bartsch klärt während ihres Aufenthaltes in Mannheim nicht nur einen Doppelmord, sondern erlebt auch einen Parforceritt durch die Mannheimer (Musik) – Geschichte, der auch der Titel entlehnt ist. Der ‘Seufzer’ als ausdruckvolle fallende Sekunde gilt in der Musikwelt als weibliche Endung und als Spezialität der ‘Mannheimer Schule’.
Dana Bartsch, 64 Jahre alt, vom Charakter her betont weiblich, durchsetzungsfähig und sich ihrer Sexualität lustvoll bewusst ist, fährt der Musik wegen nach Mannheim zur ‘Mozart-Woche’. Während der Fahrt kommt sie im Zugabteil mit Tintin, einem jungen Saxophonisten aus Mannheim, ins Gespräch. Zunächst quasselt er ihr die Ohren voll von seiner Heimatstadt, erwärmt sie für die Mannheimer Jazz-Szene der 50ger Jahre und wird für die kommenden Tage ihr Begleiter durch die Quadratestadt. Kurz nach der Ankunft nachdem Tintin sie verlassen hatte, wird Dana auf dem Bahnsteig von einem wildfremden Mann angerempelt, der ihr mit den Worten: “Hier, sie wissen ja, was für Sie zu tun ist” einen braunen Umschlag in die Hand drückt. Der Umschlag enthält handgeschriebene Notenblätter mit dem Titel: ‘Symphonia Germanica d-moll von Carl Stamitz anno domini 1777′.

Aus diesem Ereignis heraus spinnt die Autorin eine Kriminalgeschichte mit Verwechslung, Notenfälschung, Doppeltmord, Ausflug ins Rotlichtmilieu und einer Intrige unter Musikwissenschaftlern, die bis zu ihrer Auflösung die Spannung trägt. Die Figur der Dana Bartsch gewinnt Kontur und Charakter. Man merkt, dass ihr die Freiheit gelassen wurde, im Zusammenklang mit ihrer Sprecherin Marianne Bernhardt zu wachsen und Farbe zu gewinnen. Auf dem Weg dahin schrammt die Story an diversen Genregrenzen entlang. Das typische des Regionalkrimis fehlt, die Bodenhaftung der Akteure. Trotz regionaler Bezüge in der Handlung könnten alle Figuren, den jungen Musiker und die Frau an der Hotelrezeption ausgenommen, wie die Protagonistin von ausserhalb kommen. Als reine Kriminalgeschichte ist sie nicht angelegt, auch ist die Personaldecke zwar nicht zu dünn, aber zu wenig ausgearbeitet. Die Akteure dienen vorwiegend als Fixpunkte zur Aufrechterhaltung der Handlung, als Wegweiser oder Fremdenführer.

Claudia Cornelsen hat sich vorgenommen, mit ihrer Dana Bartsch einen Zwischenweg zwischen Roman und Sachbuch zu wagen. Im ‘Mannheimer Seufzer’ stecken zwei Jahre akribische Recherche und harte Arbeit. Die Ergebnisse werden von Tintin im Stil eines Reiseführers präsentiert oder von Dana aus dem Reclamführer referiert. Die Figuren sprühen phasenweise geradezu vor Fakten als würden sie vom Fokus bezahlt. Eine Fülle von Fakten, zum Teil detailversessen mit Jahreszahlen, die es dem Hörer mitunter schwierig macht, sie zu verarbeiten. Wie detailverliebt, die Macher ans Werk gegangen sind, dokumentieren auch die ‘musikalischen Miniaturen’, die der Hamburger Komponist und Tonmeister Konrad Peschmann, orientiert an der Musik der Mannheimer Schule, in moderne Jazzmusik umgesetzt hat.

Das Rückgrat des ‘Mannheimer Seufzers’ bildet zweifelsohne der Erzähler. Ohne ihn wäre Dana und der übrige Figurenpark ebenso hoffnungslos verloren wie der Zuhörer. Er hält den Kurs, auch wenn er an manchen Stellen durch irritierend kurze Monologe von Dana unterbrochen wird. Ingo Abel meistert mit seiner Stimme zwischen Tenor und Bass die Rolle des Erzählers mit Bravour. Er führte beim ‘Mannheimer Seufzer’ auch Regie und sorgte für die künstlerische Umsetzung. Ansonsten ist Abel Schauspieler und zählt zu den gefragtesten Sprechern hierzulande, spielte u.a. im Grossstadtrevier, Doppelter Einsatz, Stubbe- von Fall zu Fall und wurde 2003 mit seinem Hörbuch ‘Das Lächeln am Fusse der Leiter’ von Henry Miller für den ‘Hörkules’ nominiert.

Der ‘Mannheimer Seufzer’ ist das erste Projekt, das von Claudia Cornelsen und Ingo Abel unter dem gemeinsamen Label ‘bello records’ erschienen ist. Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht und – weil die angefragten Verlage zwar Interesse gezeigt, aber keine Entscheidungsfreude an den Tag gelegt haben – den ‘Mannheimer Seufzer’ in Eigenregie produziert und verlegt. Herausgekommen ist ein veritabler Reiseführer mit kriminalistischem Einschlag in zweiundfünzig Tracks in der Länge von sieben Sekunden bis viereinhalb Minuten: Ein kriminalistisches Stadtporträt eben, das jedem ans Herz oder besser gesagt ins Ohr gelegt werden kann, der nach Mannheim mehr als 123 Minuten Anreisezeit und keine Ahnung von der Stadt hat.

Ach ja, in Sprechrollen mitgewirkt haben noch etliche Mannheimer Prominente: Xavier Naidoo, Markus Kuhl, Nico Hofmann, Joy Fleming, Björn Jansen, Gerhard Widder, Hans-Olaf Henkel, Christine Westermann, Guido Zimmermann, Ilka Sobottke und Claus Boysen. Stimmlich und von der Spielfreude überzeugt haben Joy und Hans-Olaf. Sie alle verzichteten auf jegliches Honorar. Der Erlös des ‘Mannheimer Seufzers’ geht an die CityKirche Konkordien.

Der ‘Mannheimer Seufzer’ ist bundesweit im Buchhandel erhältlich ISBN 3-00-012280-X und hat auch eine Website http://www.mannheimerseufzer.de

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