Lust und Kunst des Büchermachens: Casa dei Nani

14. Juni 2007 | Von | Kategorie: Buchmarkt regional

Es gibt sie noch die bibliophilen Handwerker des Buches hier bei uns in Mannheim und Ludwigshafen. Ein halbes Jahrhundert nach “rowohlts rotations romanen” im Zeitalter von Digitaldruck und Print-On-Demand setzen sie auf Gutenbergs Druck mit beweglichen Lettern und echte Teamarbeit zwischen Autor, Illustrator, Setzer und Drucker.

Die case dei nani, die der Erzählung des Mannheimer Autors Meinrad Braun den Titel gaben, sind steinerne Grabkammern aus vorrömischer Zeit, die man im Kalksteingebiet der Berge, wahrscheinlich aber überall in Süditalien finden kann.

Der dreißigjährige Oreste lebt zurückgezogen in einer der weißen Städte Süditaliens. Draußen herrscht das Licht der Sonne, das tagsüber zu hell ist, um es aushalten zu können, da treiben die Leute ihre Geschäfte, für die sich Oreste nicht interessiert. Von draußen kommt die junge Letitia, die unversehens in Orestes Haus eindringt, als sie ihre Großmutter Giustina vertreten soll, Orestes Hausbesorgerin, die krank geworden ist. Letitia stört mit ihrer Neugier: Orestes Insektenzucht, sein fotografisches Labor, den geregelten Ablauf seiner Tage, seine Ruhe. Aber es stört ihn nicht nur ihre Neugier, auch ihre Anwesenheit, ihre Anmut, ihr Geruch. Als sie schließlich im Keller auf Orestes Geheimnis stößt, kommt es zu einer Krise. Letitia übernimmt die Regie und Oreste sieht sich entdeckt, ausgeliefert. In seinen Fotografien lässt sie sich bannen, aber nur für den Augenblick, um darauf noch verstrickender wiederzukehren. Was tun? fragt sich Oreste.

Die Erzählung ist die Geschichte von Orestes Leben und seinen Obsessionen in der letzten Augustwoche eines Sommers. Thema und Erzählstil erscheinen als Hommage an Nabokovs Lolita. Erzählt wird auch die Entstehungsgeschichte der Bilder des Buches. Text und Bild verhalten sich zueinander wie Henne und Ei, das eine ist nicht ohne das andere denkbar. Bei den Bildern handelt es sich um fünf originale Cyanotypien von Günther Wilhelm, einem Künstler aus Ludwigshafen, der sich seit Jahren mit Verfahren aus der Frühzeit der Photographie beschäftigt. Die Cyanotypie ist das dritte Verfahren nach der Daguerreotypie und Talbotypie/Kalotypie zur Herstellung von stabilen photographischen Bildern. Es ist ein Verfahren, das auf Eisen und nicht auf Silber beruht, welches sonst bei der herkömmlichen Herstellung von Photoabzügen und den zuvor erfundenen Verfahren verwendet wird.

Entsprechend dem Herstellungsverfahren der Bilder wählten die Buchmacher das Herstellungsverfahren des Buches; gesetzt in Adobe Garamond, Bleisatz mit beweglichen Lettern, wobei jeder Buchstabe einzeln neu gegossen werden musste. Satz und Layout besorgte Bernd Oehler. Da in Deutschland keine Druckerei mehr für dieses Verfahren ausfindig zu machen war, gingen Braun und Wilhelm zu Svato Zapletal nach Prag. Gedruckt wurde auf Hahnemühle Papier 300g/qm, gebunden vom Atelier Krupka, Uvaly u Prahy mit Leineneinband und Schuber.

Entstanden ist eine bibliophile Kostbarkeit und ein Meisterwerk der Buchkunst in einer Kleinauflage von mit der Hand nummerierten und signierten 50 Exemplaren; erschienen im Selbstverlag. “Casa dei Nani” ist als Gesamtkunstwerk ein sinnlicher Genuss für jeden echten Bücherfreund. Ganz wenige Exemplare sind noch beim Autor erhältlich.
http://www.meinrad-braun.de

Meinrad Braun, Günther Wilhelm: Casa dei Nani. Leineneinband im Schuber. Selbstverlag. Mannheim 2005

Artikel weiter empfehlen

Um Artikel über soziale Netzwerke weiterzuverbreiten, müssen Sie diese aktivieren - für mehr Datenschutz.

Tags:

Keine Kommentare möglich.