BvSB: Ich war [noch nicht] hier

8. Juni 2004 | Von | Kategorie: Allgemein

“[...]Ich litt unter starken Depressionen und begann zu begreifen, dass das etwas grundlegend anderes ist als eine schlechte Laune. Ich lag eines Morgens auf dem Bett, weinte nur noch, zitterte am ganzen Körper und konnte schlichtweg nicht mehr aufstehen.” Gestand Benjamin v. Stuckrad-Barre kürzlich im Gespräch mit dem ‘SPIEGEL’.
Manchmal habe er sich nachts hingesetzt und habe bei Google die Stichwörter ‘Stuckrad’ und ‘Arschloch’ eingegeben. “Da findet man einiges – und wird natürlich schnell sehr, sehr traurig.”
Ob BvSB über die Reaktionen auf ‘Festwert-Speicher der Kontrollgesellschaft Remix 2′ weniger traurig sein wird, darf bezweifelt werden.

Ursula Maerz schreibt zu seinem neuen Buch in der ‘Frankfurter Rundschau’: “auch wenn man von Stuckrad-Barres Programm des permanenten Selbstversuchs gar nichts hielte, kann man unmöglich die Brillanz ignorieren, über die der 29-jährige Schriftsteller verfügt, wenn es darum geht, sich zum Stimulator und die Öffentlichkeit zum Objekt einer Versuchsanordnung zu machen. [...] Das Spiel mit dem Fiktionalen verführt den Autor häufig zu Spielchen mit begrenzten Pointen und berechenbaren Gags. [...] Da kam fast jeder schon mal drauf. Und was jedem einfallen könnte, ist einen Witz am Kneipentisch oder im Satiremagazin, aber keine Prosaseite wert.”

In der ‘Zeit’ kommt Iris Radisch zu dem Schluss: “[...] Hier spricht der Teletubby-Autor der jungen deutschen Literatur, ein Dichter, der das Leben, seinem neuen Buch nach zu urteilen, nicht mehr nur mit dem Fernsehen verwechselt, sondern das Fernsehen für die einzig gültige Währung schlechthin zu halten scheint. [...] Ansonsten wird von Stuckrad-Barre offenbar viel mit Verlagslimousinen rumgefahren, berichtet allerhand über Hotels, in denen er schläft, um in Buchhandlungen aus bereits geschriebenen Büchern zu lesen, in denen ebenfalls schon Hotels beschrieben wurden, in denen er wohnte, um in Buchhandlungen aus bereits geschriebenen Büchern zu lesen. Woraus folgt, dass man im Spätkapitalismus pro Leben eigentlich nur noch ein richtiges Buch schreiben muss, weil man alle folgenden Bücher damit füllen kann, was man auf den Reisen mit dem ersten Buch so erlebt hat.”

Uwe Wittstock hat in der ‘Welt’ am Ende noch einen guten Tipp für BvSB parat: “[...]Was Stuckrad-Barre jedoch, neben seinen unbestrittenen Entertainer-Qualitäten bei Live-Auftritten, von Anfang an heraushob aus der Konkurrenz der deutschen Nachwuchsautoren, war sein Witz und seine Sprachkraft. Während Romane über Liebesunglück gern von tiefschwärzester Melancholie durchweht werden, machte er aus dem Helden seines “Soloalbums” eine derart hemmungslos in den eigenen Weltschmerz vernarrte Figur, dass sie gleich wieder herzerfrischend komisch wirkte. [...] Doch leider ist von diesen Qualitäten im jetzt erschienenen Buch [...] nicht viel geblieben. In den letzten Wochen hat Stuckrad-Barre jedem, der nicht schnell genug weiterzappte, über alle Medienkanäle wissen lassen, dass er in den vergangenen Jahren diversen Süchten verfallen war. Unglücklicherweise hat ihn das offenbar nicht nur persönlich, sondern auch professionell beeinträchtigt. Sein neuer Band ist ein konturloses Gewürfel aus vorwiegend schon veröffentlichten Reportagen, Interviews, Tagebuch-Häppchen, Rezensionen und endlos langen Listen. [...] Und wenn er dazu noch Tagebuch-Aufzeichnungen veröffentlicht, in denen er hingebungsvoll den zarten Verästelungen seiner Künstlerseele nachspürt, glaubt man endgültig supersausensible Debütantenprosa aus Klagenfurt zu lesen. Klar, Stuckrad-Barre geht es zurzeit nicht besonders gut. Aber den Lesern aus Mitleid sein Buch empfehlen? Das wäre wohl auch keine Lösung. Er selbst hat nie viel Mitleid gezeigt mit den popeligen Prominenten, über die er gewöhnlich schreibt. “Bisschen interessanter werden” hat er dem einen oder anderen als Rat mit auf den Weg gegeben, “und ab und zu mal kein Interview geben, das könnte auch nicht schaden”. Guter Tipp.”

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann dies am 23. Juni in Mannheim in der ‘Alten Feuerwache’ tun.
Ich wünsche mir einen geniessbareren Auftritt als im Film ‘Ich war hier’ – Ob das wohl ab dem 24. auch in der Toilette der Feuerwache zu lesen ist?

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